Schädel-Hirn-Trauma (SHT)

Übersicht
Definition des Schädelhirntraumas
Pathophysiologie
Erstmaßnahmen
Weiterführende Maßnahmen
   
Zusammenfassung
Literatur
Impressum für diesen Bericht

Definition
Das SHT ist die Folge eine äußeren Gewalteinwirkung auf den Schädel bzw. das Gehirn mit primärer und sekundärer Verletzungsfolge [1]. Die SHT´s werden in die Schweregrade leicht (GCS 13-15), mittelschwer (GCS 9-12) und schwer (GCS 3-8), sowie offene (Eröffnung der Dura mater [harte Hirnhaut]) und geschlossene SHT unterteilt.

Die Werte für die GCS (Glasgow Coma Scale) lassen sich aus der Tabelle rechts ableiten.


 
Pathophysiologie
Da das Gehirn, die Liquorräume und die Hirnhäute durch den knöchernen Schädel eingehüllt sind, führt jede größere Volumenzunahme im Schädelinneren (Hirnödem, Blutung, Liquoraufstau) zu einer Zunahme des Intracraniellen Drucks (ICD). Dieser ICD wirkt der Hirndurchblutung folgendermaßen entgegen: Der cerebrale Perfusionsdruck (CPD), also der Blutdruck, mit welchem des Hirngewebe effektiv durchblutet wird, errechnet sich aus der Differenz des mittleren arteriellen Drucks (MAD) und dem ICD, d.h. CPD=MAD-ICP. Hieraus ist ersichtlich, daß jede Zunahme des ICD oder jede Abnahme des MAD den cerebralen Perfusionsdruck vermindern und somit zu einer Minderperfusion des Hirngewebes führen kann. Eine traumatische Schädigung des Hirngewebes, welche zum großen Teil durch eine Krafteinwirkung von deutlich weniger als einer Sekunde Dauer entsteht, ist häufig irreversibel. Das bedeutet für den Rettungsdienst, dass er mit seiner Therapie nicht in der Lage ist, die sogenannte Primärverletzung zu behandeln und zu beeinflussen. Jedoch tritt nach jedem SHT häufig eine Phase der Sekundärschädigung ein und hier kann und muß der Rettungsdienst eingreifen. Die sogenannten Sekundärinsulte treten Minuten, Stunden oder Tage nach der initialen Schädigung auf und können zu einer zusätzlichen sekundären Schädigung des Zentralennervensystems (sekundäre Hirnschädigung) führen und / oder die Erholung nicht irreversibel geschädigter Hirnregionen  verhindern [2]. Durch den Rettungsdienst und im weiteren Verlauf das Klinikteam können nur diese Sekundärschädigung vermeiden werden. Folgende Faktoren tragen wesentlich zu diesen Sekundärinsult bei: Hypotonie, Hypoxie, Hyovolämie, epileptische Anfälle und der Anstieg des ICD. Das der präklinischen Versorgung und somit dem Rettungsdienst eine Schlüsselrolle zukommt, konnte in mehreren Studien belegt werden[3,4]. Es konnte gezeigt werden, dass das beste Outcome nach SHT die Patienten hatten, bei denen Hypotonie, Hypovolämie und Hypoxie bereits präklinisch aggressiv therapiert wurden. 

 
Erstmaßnahmen
Auch bei Patienten mit SHT gilt, wie bei allen anderen Notfällen auch, zu Beginn sich Übersicht über die Situation, den möglichen Unfallhergang, Art und Anzahl der Verletzten zu verschaffen. Auf die Prüfung der Vitalfunktionen (Bewußtsein, Atmung und Kreislauf) folgt der Bodycheck (orientierende Ganzkörperuntersuchung). Wichtig für die Einschätzung des Schweregrades ist die Erhebung der GCS (Glasgow-Coma-Scale) und  eines grob neurologischen Staus (Motorik, Sensibilität usw.). Parallel zur Erhebung dieser Befund erhält jeder Patient Sauerstoff und wird an die Überwachung (EKG, Sauerstoffstättigung und RR) angeschlossen. 

 
Weiterführende Maßnahmen
Da ,wie weiter oben beschrieben, die Wichtigsten Faktoren für das Auftreten von sekundären Hirnschäden die Hypotonie, die Hypovolämie und die Hypoxämie sind, müssen diese bereits präklinisch aggressiv therapiert werden. Wie bereits erwähnt ist der CPD direkt vom arteriellen Mitteldruck (MAD) abhängig. Bei Patienten mit SHT sollte daher der MAD nicht unter 80-90mmHg liegen (der MAD ergibt sich näherungsweise zu: RRdiast + 1/3 x (RRsyst -  RRdiast) [4]). Um dieses zu erreichen ist eine ausreichende Volumentherapie mit Vollelektrolytlösungen (z.B. E 153®, Ringer®) oder kolloidalen Lösungen (z.B. HAES®) einzuleiten. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass hypotone Infusionslösungen (z.B. G 5%, Ringer-Lactat (RLH) u.a.) wegen der Gefahr der Zunahmen eines Hirnödems bei SHT vermieden werden sollten! In Situationen mit deutlicher Hypotonie bei Volumenmangel und Schock haben sich die seit einiger Zeit verfügbaren hyperonkotischen-hypertonen Lösungen der so genannten „small volume resuscitation“ bewährt. 
Ist durch ausreichende Volumengabe kein entsprechender MAD zu erzielen, so sollten frühzeitig Vasopressoren (z.B. Akrinor®, Noradrenalin u.a.) eingesetzt werden. Wie wichtig eine schnelle und ausreichende Therapie der Hypotonie ist, beweist die Tatsache, dass das Outcome des Patienten allein durch hypotensive Phasen von 5-10min deutlich verschlechtert werden kann (und 5-10min sind sehr schnell um). 
Eine weiterer Punkt der konsequent behandelt werden muß ist die Hypoxie, daher erhält jeder Patient mit SHT (egal welchen Schweregrades) Sauerstoff und diese möglichst frühzeitig. Bei Patienten mit leichten (GCS 13-15) und einem großen Teil derer mit mittlerem (GCS 9-12) SHT reicht die O2-Gabe über Maske oder Nasensonde sicherlich aus. Jedoch sollten Patienten mit einem schweren SHT (GCS 3-8) und mittelschweren SHT`s mit ausgeprägten Begleitverletzungen (zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden Oxygenierung) frühzeitig intubiert und kontrolliert beatmet werden. 
Um den Sauerstoffverbrauch des Gehirns zu senken und es vor Streß (Intubation, Beatmung, Schmerzen) abzuschirmen, kommt einer ausreichenden und kontinuierlichen Analgosedierung eine entscheidende Bedeutung zu. Das heißt, dass die Patienten nicht nur zur Intubation etwas zu „Schlafen“ bekommen, sondern die Analgosedierung (z.B. mit Fentanyl® /Dormicum®) auch kontinuierlich aufrechterhalten wird. Jeder Patient welcher intubiert ist, wird auch kontrolliert beatmet (nicht wie oft gesehen mit etwas O2 über den Tubus und Spontanatmung)! Präklinisch sollte die Beatmung mit dem höchstmöglichen FiO2 (also 100% Sauerstoff) durchgeführt werden und eine Normoventilation angestrebt werden. Ein prophylaktische Hyperventilation ist nicht indiziert. 
Da es im Rahmen von Schädel-Hirn-Traumata nicht selten zu Verletzungen der Halswirbelsäule kommt, wird bei jedem SHT die HWS mittels Stiff neck immobilisiert. 
Ist der Kreislauf stabil, d.h. ausreichender MAD, dann sollte, zur Verbesserung des venösen Abflusses vom Kopf, der Patient mit leicht erhöhtem Oberkörper gelagert werden.
Für alle Patienten mit schwerem SHT gilt, das eine schneller und schonender Transport in ein Klinik mit CCT und neurochirurgischer Abteilung unumgänglich ist. Hier sollte die Indikation zum Einsatz eines Rettungshubschraubers großzügig gestellt werden.

 
Zusammenfassung
Die adäquate präklinische Versorgung von Patienten mit SHT trägt entscheidend zur Vermeidung von sekundären Hirnschäden und somit zum Outcome des Patienten bei. Die wichtigsten Faktoren für das Auftreten von sekundären Hirnschäden sind Hypoxie, Hypotonie und Hypovolämie. Diese müssen präklinisch schnell, konsequent und aggressiv therapiert werden. Hier kommt der frühzeitigen Gabe von Sauerstoff (bei jedem SHT), einer schnellen und ausreichenden Volumentherapie und dem frühzeitigen Einsatz von Vasopressoren eine große Bedeutung zu. Jedes schwere SHT (und mittelschwere SHT´s mit ausgeprägten Begleitverletzungen) sollten intubiert, kontrolliert beatmet und normoventiliert werden. Auf eine ausreichende und kontinuierliche Analgosedierung ist zu achten. Da es im Rahmen von SHT´s oft zu Verletzungen der HWS kommt, sollte dies grundsätzlich immobilisiert werden [6]. Bei kreislaufstabilen Patienten ist eine Lagerung mit leicht erhöhtem Oberkörper zu empfehlen. 

 
Literatur
1. Meixensberger J, Rosolski T: Notfälle aus der Neurochirurgie. In: Hempelmann G, Adams H-A, Sefrin P (Hrsg) AINS Notfallmedizin. S 192-203, Thieme 1999
2. Stocker R, Bürig U, Keller E, Imhof H.G (2000) Akute Schädel-Hirn-Verletzung. Pathophysiologie, Monitoring und Therapie. Anaesthesist 49:913-926
3. Schüttler J, Schmitz B, Bartsch A.C, Fischer M (1995) Untersuchung zur Effizienz der notärztlichen Therapie bei Patienten mit Schädel-Hirn- bzw. Polytrauma. Anaesthesist 44:850-858
4. Thomas A, Berlinghof H.G, Bock K.H, Lang L (2000) Outcome-Faktoren des schweren Schädel-Hirn-Traumas. Anästhesiol. Intensivmed. Notfallmed. Schmerzther. 35:91-97
5. Schneider Th, Wolcke B, Böhmer R (Hrsg): Taschenatlas Notfall & Rettungsmedizin. Springer 2000
6. Wissenschaftlicher Arbeitskreis Neuroanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Arbeitsgemeinschaft Intensivmedizin und Neurotraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie (1997) Leitlinien zur Primärversorgung von Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma. Notfallmedizin 23: 466 ff

 
Impressum für diesen Bericht
Herzlichen Dank für den sehr ausführlichen Artikel, welcher extra für diese Seite verfaßt wurde, an Dr. med. P. Hilbert. Dr. Hilbert ist Anästhesiest an der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Notfallmedizin der BG-Kliniken Bergmannstrost Halle / Saale.
Name des Autors Dr. med. P. Hilbert
Email des Autors peterhilbert@compuserve.de
Weiterführende URL http://www.bergmannstrost.com
Bearbeitung & Layout Björn Heumann
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